Uwe Timm: Was ist eigentlich Faschismus?, hrsg. v. Jochen Knoblauch, Bern: Edition Anares & Espero, 1997 (= espero-Sonderheft; 4), ISBN 978-3-905052-63-6, 62 Seiten.
Rezension von Markus Henning
Am 3. Mai 1997 stellte Uwe Timm während einer gut besuchten Veranstaltung der anarchistischen Bibliothek der Freien im Kreuzberger Infocafé El Locco[1] seine neu erschienene Broschüre Was ist eigentlich Faschismus? vor.
Hierin unternimmt er eine Analyse aus anarchistischer Sicht. Seine Schwerpunkte sind die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Entstehungsbedingungen des Nationalsozialismus in Deutschland, dessen autoritär-etatistische Herrschaftsideologie und -praxis, sowie die Programmatik der mit Hitler konkurrierenden Parteien.
Insbesondere der letztgenannte Themenbereich verdeutlicht die ungebrochen aktuelle Brisanz von Timms historischen Untersuchungen angesichts eines hierzulande grassierenden Rechtspopulismus und Neo-Nazismus. In dem Kapitel Die Linke und der Faschismus (S. 38-51) stellt Uwe Timm Nationalsozialismus und Marxismus-Leninismus gegenüber und arbeitet sehr erhellend die gemeinsamen Wesenszüge dieser konkurrierenden autoritär-kollektivistischen Ideologien heraus: Analytische Erkenntnisse, die manchen Antifa-Aktivisten zu denken geben sollten und zugleich die libertäre Alternative gegenüber totalitären Bestrebungen aller Art in den Vordergrund rücken.
Zitat Uwe Timm: „Faschismus, Nationalsozialismus, marxistisch-leninistischer Staatssozialismus – ihnen allen ist gemein die Verneinung der Selbstbestimmung des Menschen. Wirklicher ‚Antifaschismus‘ bedeutet: Eintreten für eine Emanzipation des Menschen. Doch dazu gehört selbständiges Denken, eigene Initiative und Aktivität. Dazu gehört auch eine Gesellschaft, in der Menschen politische Freiheiten durchsetzen können, weil sie in einer ökonomischen Unabhängigkeit leben. Diese Emanzipierung ist die Herausforderung unserer Zeit. Mut zum Denken und Handeln ist gefordert“ (S. 58).
Wer nach ernsthafter Erkenntnis strebt – nicht nur in der historischen Rückschau, sondern auch als Grundlage für politisches Handeln der Gegenwart –, dem kann Uwe Timms Broschüre nur empfohlen werden. In diesem Sinne wünschen wir ihr eine größtmögliche Verbreitung.
(Diese Rezension wurde erstmals veröffentlicht in: espero. Forum für libertäre Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, Neu Wulmstorf / Berlin / Bern, Jg. 4 / Nr. 10 – Juli 1997, S. 19)
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Anmerkungen
[1] Seit Anfang 2000 residiert die Bibliothek der Freien im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte.