Peter Krause: Margrit Kennedy. Architektin für Ökologie, komplementäre Geldsysteme und soziale Gerechtigkeit, München: oekom verlag, 2020, ISBN 978-3-96238-202-5, 229 Seiten
Rezension von Markus Henning
Wirklicher Reichtum besteht nicht aus angehäuftem Geld. Er bemisst sich nach der Qualität menschlicher Beziehungen. In gegenseitigem Verstehen und kreativem Miteinander können schon heute Grundlagen geschaffen werden für die bessere Welt von morgen.
Gelungene und lehrreiche Beispiele verdanken wir dem Engagement von Margrit Kennedy (1939-2013). Sie führte ein geglücktes Leben, reich an Präsenz, Wissbegierde und Tatkraft. Immer bereit zu Selbstverwandlung und Neubeginn, zu Wagnissen also, aus denen Zukunft erst entsteht.
Peter Krause hat sich in diese Biographie vertieft. Er hat Weggefährten interviewt, Archive durchstöbert, autobiographische Dokumente gesichtet. An ihnen lässt er uns teilhaben. Über weite Passagen kommt Margrit Kennedy selbst zu Wort. Gerade das macht das Buch von Peter Krause bedeutsam. Er bietet mehr als eine bloße Rückschau auf äußere Ereignisse, Begegnungen, Zeitumstände. Er lädt ein zum Mitfühlen und zum Nachvollziehen der inneren Antriebskräfte, die seine Protagonistin von klein auf bewegten: Ihre Rebellion gegen Abhängigkeit. Ihr Bedürfnis, Ungleichgewichte zu überwinden. Ihr Streben nach guten Lebensformen.
Wir erleben mit, wie Margrit Kennedy die Hauptthemen ihres Wirkens entdeckt: Den Kampf gegen patriarchale Strukturen und gegen die jahrtausendealte Abwertung weiblicher Prinzipien. Das ökologische Engagement als „Konzept von Glück, Abenteuer, Freiheit und Schönheit“ (S. 115). Die Versöhnung von Natur, Mensch und Ökonomie durch Freiwirtschaft und Regiogeld.
Auf allen drei Handlungsfeldern wird Margrit Kennedy zur weltweit vernetzten Impulsgeberin.
Aufgewachsen in der „documenta“-Stadt Kassel, gehören Kunst und kultureller Aufbruch zu ihren jugendlichen Prägungen. Ihr Berufswunsch gilt einer damaligen Männerdomäne. Sie verwirklicht ihn, absolviert zwei Studiengänge, wird international geachtete Spezialistin für weibliche Architektur und biologischen Siedlungsbau.
Schon früh hat sie sich abgesetzt vom traditionellen Rollenverständnis der Eltern. Das Erfolgsrezept von Margrits eigener Ehe mit Declan beruht auf Gleichberechtigung, gegenseitiger Förderung und Achtung von Freiräumen.
Gemeinsam begegnen sie der Permakultur, einem in Australien entwickelten Ansatz ganzheitlicher Ökologie. Sie sind begeistert, tragen die Idee weiter, setzen sie auch in eigenen Projekten praktisch um. Ab 1985 im „Lebensgarten Steyerberg“, Ökodorf-Gemeinschaft und Beispiel für eine Postwachstumsökonomie, „ein Modell, das uns gemeinsam reicher macht“ (S. 221).
Bereits 1982 hat Margrit Kennedy die Bekanntschaft mit Helmut Creutz gemacht. Er wird zum wohl wichtigsten Lehrer ihres Lebens. Seine geld- und wirtschaftsanalytischen Untersuchungen öffnen ihr die Augen. Schon zuvor hat sie sich immer wieder am Gegensatz von Ökonomie und Ökologie gestoßen. Jetzt wird ihr die tiefere Ursache bewusst: Das zinsbasierte Geldsystem generiert ein exponentielles Wachstum von Schulden und Vermögen, was die gesamte Wirtschaft in einen Expansionszwang treibt. Der Lösungsvorschlag geht auf Silvio Gesell und dessen Freiwirtschaftslehre zurück: Neutralisierung des Geldes, indem es über eine periodische Umlaufsicherungsgebühr unter Angebotszwang gesetzt wird.
Ab sofort plädiert Margrit Kennedy für die freiwirtschaftliche Geldreform, will mit dieser guten Idee aber auch zivilgesellschaftliche Praxisfelder erschließen. Wichtig wird der gedankliche Austausch mit dem belgischen Finanzexperten Bernard Lietaer. In den 1990er Jahren entwickelt er das Konzept der Komplementärwährungen. Von freien Initiativgruppen basisdemokratisch in Umlauf gebracht, sollen sie das als „männlich“ bestimmte Geldsystem des Staates durch „weibliche“ Eigenschaften ergänzen. Dass eine Bewegung für neue Währungsarten von unten nach oben wachsen muss, entspricht ganz der Lebenseinstellung von Margrit Kennedy. Sie wird zur Expertin für Regiogeld-Projekte, reist ihnen bis nach Argentinien nach, führt Feldforschungen durch, stößt auch in Deutschland Experimente an. „Wenn man sich mit einer Regionalwährung […] aus dem zinsdominierten Eurosystem ausklinken kann, dann sind hier ganz reelle Einsparungen und neue Wertschöpfungsketten möglich. […] Ja, ich hoffe, dass wir es mithilfe der Regionalwährungen schaffen, diese grundsätzlichen Dinge in der Region zu halten, zu verbessern, zu stabilisieren – und das möglichst ökologisch und unabhängig von Großkonzernen und Weltmarktpreisen. Das ist die Vision!“ (S. 155).
Margrit Kennedy war eine Vorkämpferin sozial-ökologischer Transformation. Ihr Handlungsmodell atmete tief empfundene Humanität: Jeder Mensch kann sich als Individuum begreifen, das Teil dieser Welt ist und ihr Einmaliges zu bieten hat. Es kommt darauf an, im allernächsten eigenen Umkreis proaktiv mit dem Neuen zu beginnen.
(In leicht gekürzter Fassung wurde diese Rezension erstmals veröffentlicht in: Fairconomy, Jg. 16 / Nr. 2 – Juli 2020, S. 19).